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Wirtschaftswende - Wohin steuern die Parteien?

Bewertung der wirtschaftspolitischen Positionen der Parteien zur Bundestagswahl 2025

In Deutschland ist der Wahlkampf für die Bundestagswahl 2025 in vollem Gange. Doch wie genau sehen die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der zur Wahl stehenden Parteien aus? Welche Vorhaben aus den Wahlprogrammen bergen das Risiko, die wirtschaftliche Stabilität zu gefährden und die Klimakrise weiter zu verschärfen? Wer blockiert die notwendige Transformation und Innovation? Wo finden sich Ansätze, die Voraussetzungen für eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Wirtschaft schaffen können – eine, die Wohlstand für alle sichert, auch für nachfolgende Generationen? 

Diese Fragen beleuchten wir anhand einer Analyse der Wahlprogramme von ausgewählten Parteien zur Bundestagswahl 2025. Unsere Auswertung in der untenstehenden Grafik zeigt, dass zwischen den wirtschaftspolitischen Konzepten der Parteien Welten liegen – und damit auch komplett unterschiedliche Richtungsentscheidungen verbunden sind. Überraschend mag vor allem das Ergebnis sein, dass gerade die Parteien stark enttäuschen, die gemeinhin als besonders wirtschaftskompetent gelten. Ihre Vorschläge führen nicht zu einer zukunftsfähigen Wirtschaft, die wohlstandssichernd ist und soziale sowie ökologische Erfordernisse als zentral anerkennt. Gleichzeitig offenbaren stark marktwirtschaftlich orientierte Ansätze gravierende Leerstellen, wenn es darum geht, systematische und konsistente Antworten auf die Klimakrise und soziale Ungleichheit zu entwickeln. Die Analyse macht jedoch auch eines deutlich: Kein Wahlprogramm überzeugt vollständig, sodass weiterhin mehr Ideen und Mut gefragt sind, um angemessene Politiken für dauerhaften Wohlstand und eine ökologisch nachhaltige sowie friedliche Welt umzusetzen und die Wirtschaft fit für die Herausforderungen unserer Zeit zu machen.

Die Ergebnisse unserer Analyse werden nachfolgend näher erläutert und diskutiert. Außerdem steht die vollständige Analyse als PDF-Dokument zum Download bereit.

Abb. 1 – Bewertung der wirtschaftspolitischen Positionen der Parteien im aktuellen Bundestag

Wirtschaftswende – Gegen die Wand, mutlos oder in Richtung Zukunftsfähigkeit?​

Die Bundestagswahl 2025 stellt eine Richtungsentscheidung dar: Wird die Chance genutzt, die Wirtschaftspolitik in Deutschland zukunftsfähig auszurichten – ökologisch tragfähig, sozial gerecht und resilient? Auch in stürmischen Zeiten. Oder bleiben zentrale Herausforderungen wie Klimakrise, soziale Ungleichheit und nachhaltige Transformation weitgehend unbeachtet oder werden gar geleugnet? Die folgende Bewertung (Abb. 1) zeigt, welche Parteien eine Wirtschaftspolitik vertreten, die langfristig Wohlstand sichern könnte – und wer Kurs auf Stillstand und Krise nimmt. Die Reihenfolge entspricht der Sitzverteilung im aktuellen Bundestag.

Als Economists for Future können wir auf ein breites Netzwerk an Forscher*innen und Praktiker*innen zurückgreifen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit ökonomischen Themen befassen. In unserer jährlichen econ4future-Debattenreihe (in Kooperation mit dem Wirtschaftsmagazin Makronom und Exploring Economics) finden sich mittlerweile schon Beiträge in sechster Ausgabe versammelt. Aus diesen über 80 Beiträgen haben wir systematisch zentrale wirtschaftspolitische Themen identifiziert. Der Rahmen dieser Auswertung fußt somit auf einem breiten Spektrum an wissenschaftlich basierten Einschätzungen aus unserer Community. 

Insgesamt haben wir 93 relevante Themen identifiziert und in fünf Kategorien zusammengefasst, die aus unserer Sicht entscheidend für eine zukunftsfähige Wirtschaft sind:

  • Staatliche Finanzen: Vermögens- und Steuerpolitik, kreditfinanzierte Staatsausgaben (“Schulden”), öffentliche Investitionen und Abbau umweltschädlicher Subventionen
  • Markt- und Industriepolitik: Wettbewerbspolitik, Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitsorientierung
  • Versorgungsökonomie und soziale Grundlagen: Unbezahlte Arbeit und Care-Arbeit, Grundversorgung und soziale Sicherheit
  • Non-Profit-Ökonomie und Zivilgesellschaft: Demokratisierung von Wirtschaft, Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierung, Bildungs- und Forschungspolitik für Nachhaltigkeit
  • Ökologische Grundlagen: Klimaschutz und Schutz natürlicher Gemeingüter, Mensch-Natur-Verhältnis 
 

Die fünf Kategorien wurden mittels einer qualitativen Analyse ausgewertet und jede Partei in jeder Kategorie separat bewertet. Auch innerhalb jeder Kategorie werden diverse Aspekte bewertet; entsprechend können sehr unterschiedliche Ansätze und Programme am Ende zu gleichen Bewertung führen. Die Bewertung erfolgt in folgenden Stufen:

  • Ambitioniert: Das Parteiprogramm enthält wissenschaftlich fundierte Forderungen und verbindet diese mit einem klaren Bekenntnis / Versprechen zu konkreten Maßnahmen, die sich konsequent und nachvollziehbar an diesem Anspruch orientieren. (Beispiel: Ein umfassender Plan zur Erreichung der 1,5-Grad-Grenze mit konkreten Maßnahmen)
  • Bemüht um Ambition: Die vorgestellten Ansätze zeigen ein grundlegendes Verständnis für zentrale Herausforderungen und setzen auf einzelne wichtige Maßnahmen, jedoch fehlen Kohärenz, Tempo oder die notwendige Verbindlichkeit. (Beispiel: Maßnahmen, die teilweise zur Einhaltung der Klimaziele beitragen, aber wichtige Sektoren auslassen)
  • Mutlos: Die Politik zeigt bestenfalls Ansätze zur Veränderung, bleibt jedoch vorwiegend in Status-Quo-Strukturen und minimal-invasiven Lösungen verhaftet. (Beispiel: Wesentliche Themen werden ausgespart oder nur Ansprüche formuliert, denen keine systematischen oder stark widersprüchliche Maßnahmen folgen)
  • Desaster: Politikansätze, die planetare Grenzen ignorieren und ein hohes Risiko für soziale und ökonomische Krisen schaffen. Die Orientierung liegt vor allem auf kurzfristigen wirtschaftlichen Einzelinteressen ohne Berücksichtigung der volkswirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Folgen (Beispiel: Subventionen für fossile Energieträger oder das Blockieren zentraler Transformationsmaßnahmen ohne angemessene Gegenvorschläge)
 

Aus Gründen der Übersichtlichkeit und des Zeitdrucks wegen der vorgezogenen Wahlen haben wir uns auf eine Auswahl an Parteien konzentriert. Im Fokus stehen daher die 15 Parteien, die bei der Europawahl 2024 mindestens ein Mandat erlangt haben: SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, AfD, Die Linke, BSW sowie die Kleinparteien Freie Wähler, Volt, Die Partei, Familie, Tierschutz, ÖDP und PdF. Hinweis: In der Darstellung der Ergebnisse wird ‚Die Partei‘ nicht berücksichtigt, da keine relevanten wirtschaftspolitischen Positionen vorlagen. Die Kleinpartei ‚Familie‘ wird ebenfalls nicht aufgeführt, da sie nicht zur Bundestagswahl antritt. Während für den Einzug ins Europaparlament die Sperrklausel von 5 % nicht gilt, müssen Parteien bei der Bundestagswahl entweder die 5-%-Hürde überwinden oder mindestens drei Direktmandate gewinnen. 

Jede Analyse hat ihre Grenzen. In dieser Untersuchung haben wir bestimmte Themen wie Erwerbsarbeit, Migration oder Krieg nicht explizit berücksichtigt, obwohl sie gerade viele Menschen bewegen. Unsere Auswahl enthält hingegen klassische Wirtschaftsfragen und kombiniert diese mit bislang unterbelichteten und weiteren zentralen Aspekten rund um ein zukunftsfähiges Wirtschaften, um neue Perspektiven zu eröffnen.

Zudem haben wir ausschließlich Aussagen aus den aktuellen Wahlprogrammen bewertet – nicht jedoch deren tatsächliche Wirkungen oder gesellschaftliche Folgen. Unberücksichtigt bleiben beispielsweise die Auswirkungen einer undemokratischen und menschenfeindlichen Politik, wie sie in der Agenda der AfD zu finden ist, auch deren indirekte Effekte, etwa auf internationale Zusammenarbeit oder den Verlust von Fachkräften und damit auf die Wirtschaft. Auch die Realisierbarkeit bestimmter Politiken wurde nicht bewertet. Das bedeutet, dass Wähler:innen weiterhin gefordert sind, sich kritisch mit den hier präsentierten Ergebnissen, aber auch den Wahlprogrammen, dem bisherigen Abstimmverhalten von Parteien und der öffentlichen Debatte auseinanderzusetzen. Unsere Analyse versteht sich dabei als Orientierungshilfe für ein breiteres Verständnis einer zukunftsfähigen Wirtschaftspolitik – zugleich aber auch als Diskussionsimpuls und Aufforderung an die Parteien, ihre wirtschaftspolitischen Profile weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu gestalten.

Weiterführend möchten wir auch noch auf unsere Podcast-Reihe “Visionen einer zukunftsfähigen Wirtschaft” in Kooperation mit future economies hinweisen, in der diese Themen im Kontext der Bundestagswahl diskutiert werden.

Der Staat braucht finanziellen Spielraum, insbesondere für die anstehende sozial-ökologische Transformation, die erhebliche Investitionen erfordert – sowohl durch die öffentliche Hand als auch durch private Akteure. Das heißt, die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates muss den Aufgaben entsprechend ausgebaut werden, sei es durch den Abbau unnötiger oder gar schädlicher Subventionen, durch Steuern oder durch die Lockerung oder Umgestaltung der Schuldenbremse.

Für den Umbau der Energieversorgung, generell für die Dekarbonisierung der Wirtschaft müssen Rahmenbedingungen neu ausgerichtet und Marktprozesse wirksam gesteuert werden: Steuern und CO₂-Preise müssen passend eingesetzt werden, um gezielt Investitionen in Klimaschutz, Infrastruktur und klimaneutrale Technologien zu befördern. Gleichzeitig müssen umweltschädliche Anreize durch Subventionen abgebaut werden.

Neben den ökologischen Herausforderungen muss auch der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft gesichert werden. Aufgabe der Fiskalpolitik ist es hier vor allem, der extremen und wachsenden Ungleichverteilung von Vermögen entgegenzuwirken.

Ausgewählte Impulse zur Vertiefung aus der #econ4future-Debattenreihe:

CDU/CSU
  • Strikte Ablehnung einer Vermögensteuer, stattdessen höhere Freibeträge und Steuererleichterungen für Vermögende und Unternehmen; finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates wird untergraben statt konsolidiert
  • An Schuldenbremse soll festgehalten werden; fokussiert wird eine Mobilisierung privater Gelder
  • Engführung der Transformation auf marktbasierten Ansätze wie den Emissionshandel; Ausbau von Gaskraftwerken, um Kohlekraft zu ersetzen
FAZIT: DESASTER
  • Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende; kategorische Ablehnung einer Vermögenssteuer, wobei die Finanzierung der Steuererleichterungen nicht erläutert wird; finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates wird untergraben
  • Festhalten an der Schuldenbremse; öffentliche Mittel sollen nicht strategisch mobilisiert werden, stattdessen setzt man auf privates Kapital 
  • Konzentration auf marktbasierte und technische Instrumente wie Emissionshandel und CCS/CCU; Abbau von Bürokratie und Subventionen, ohne eine Priorisierung von Nachhaltigkeit
FAZIT: DESASTER
  • Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende; Ablehnung von Vermögens- und Erbschaftssteuern
  • An der Schuldenbremse soll festgehalten werden; finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates wird untergraben
  • Stopp des Ausbaus erneuerbarer Energien; Fokus auf Verbrenner statt Elektromobilität; Positionierung gegen den Kohleausstieg; Abschaffung der CO2-Steuer und Förderung des klimaschädlichen Flugverkehrs
FAZIT: DESASTER
  • Wiedereinführung einer Vermögenssteuer; Besteuerung von Erbschaften und Kapitalerträgen und Unterstützung einer global koordinierte Mindeststeuer für Superreiche ohne konkret ausgestaltete Maßnahmen 
  • Ein Deutschlandfonds zur Mobilisierung privater und öffentlicher Mittel, verbunden mit einer Lockerung der Schuldenbremse, soll Investitionen in die Modernisierung der Wohn- und Energieinfrastruktur ermöglichen
  • Unterstützung des CO2-Preises bzw. Europäischen Emissionshandel
FAZIT: MUTLOS
  • Einführung einer Vermögenssteuer; Reform der Erbschaftssteuer und Kapitalertragssteuer
  • Öffentliche Investitionen durch eine Reform der
    Schuldenbremse; Investitionen in klimafreundliche als auch
    klimaschädliche Technologien wie Gasinfrastruktur und russisches Gas
  • Abschaffung des Europäischen Emissionshandels, solange kein globaler CO2-Emissionshandel existiert
FAZIT: MUTLOS
  • Reform der Erbschaftssteuer und Einführung einer globalen Milliardärssteuer
  • Reform der Schuldenbremse und grüne Investitionen in Wohnen, Energie, Bildung und Mobilität mithilfe eines Deutschlandfonds
  • Kombination von CO2-Bepreisung mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen zur Dekarbonisierung; Abbau klimaschädlicher Subventionen
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Große Vermögen werden in die Pflicht genommen durch Heraufsetzen der Erbschaftssteuersätze für Superreiche, progressive Einkommenssteuer und Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Insgesamt wird der finanzielle Handlungsspielraum des Staates deutlich ausgebaut
  • Abschaffung der Schuldenbremse, um öffentliche Investitionen in die Energiewende und öffentliche Infrastruktur wie Bildung, Soziales und Wohnungsbau zu finanzieren; Ausgaben in Rüstung reduzieren
  • Verbindliche Emissionsziele; Regulierung und Infrastrukturförderung statt ein sozial-unverträglicher Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr; Abbau klimaschädlicher Subventionen
FAZIT: Ambitioniert

Konsum- und Produktionsentscheidungen sind stets vielschichtig und komplex. Jedoch zeigen die massiven ökologischen und sozialen Auswirkungen von nationaler und globaler Produktion, dass es hier einen enormen Steuerungsbedarf gibt. Eine zukunftsfähige Markt- und Industriepolitik schafft daher aktiv Rahmenbedingungen und nötige Infrastrukturen, die eine sozial-ökologische Ausrichtung von Produktion und Konsum einfach machen, anstatt ökologische Krisen und soziale Ungleichheiten weiter zu verschärfen. 

Die Diskussionen in unserer Debattenreihe machen deutlich, dass nachhaltiger Konsum zum Standard werden muss. Auf der Produktionsseite gilt es, eine Kreislaufwirtschaft zu etablieren und den Energie- und Ressourcenverbrauch signifikant zu senken. Hierzu braucht es wirtschaftspolitische Leitplanken, innerhalb derer Verantwortung übernommen und nachhaltig gewirtschaftet werden kann. Helfen können hier beispielsweise verbindliche Standards für nachhaltige Produktion und Regulierungen wie das Lieferkettengesetz. Diese dürfen nicht zugunsten von Profitinteressen des Status Quo – und schon gar nicht auf Kosten von Umwelt und Arbeitskräften – abgeschwächt werden. Zugleich ist ein Bürokratieabbau dringend und prioritär dort erforderlich, wo bürokratische Hürden nachhaltiges Wirtschaften behindern und ausbremsen. Bürokratieabbau endet allerdings zugleich dort, wo eine sinnvolle und wirksame Regulation notwendig ist.

Außerdem wird als notwendig erachtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Marktversagen und Marktmacht bei Gemeingütern mit großem öffentlichen Interesse gezielt zu begrenzen – etwa durch Preiskontrollen, Spekulationsverbote und eine Begrenzung der Privatisierung. Denn für eine zukunftsfähige Marktwirtschaft gilt: Ein stabiles wirtschaftliches Fundament beruht auf der Fürsorge für ihre ökologischen und sozialen Grundlagen.

Ausgewählte Impulse zur Vertiefung aus der #econ4future-Debattenreihe:

CDU/CSU
  • Aktive Industriepolitik im Energiesektor wird abgelehnt, stattdessen fokussiert man die Mobilisierung privaten Kapitals; keine Konzepte für die Begrenzung von Marktmacht 
  • Unterstützung der Kreislaufwirtschaft und einer Shared Economy ohne konkrete Maßnahmen 
  • Forderung, das nationale Lieferkettengesetz abzuschaffen
FAZIT: DESASTER
  • Im Mittelpunkt steht “freier” Wettbewerb, Bürokratieabbau und Deregulierung, aber keine Bekämpfung von unfairen Marktstrukturen
  • Bekenntnis zur Kreislaufwirtschaft und Förderung technologischer Innovationen, um Ressourcenschonung zu erzielen; Ablehnung von verbindlichen Umweltauflagen
  • Ablehnung des EU-Lieferkettengesetzes
FAZIT: DESASTER
  • Ablehnung von Eingriffen in private Konsumentscheidungen
  • Anerkennung von Vorteilen der Kreislaufwirtschaft in Bezug auf Energie- und Kosteneffizienz; keine Berücksichtigung von Umweltaspekten
  • Forderung das EU-Lieferkettengesetz abzuschaffen
FAZIT: DESASTER
  • Begrenzung spekulativer Investitionen im Immobilienmarkt und der Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge; Deckelung der Stromnetzentgelte
  • Schaffung einer koordinierten EU-Rohstoffstrategie; Förderung der Kreislaufwirtschaft
  • Festhalten am Lieferkettengesetz in der aktuellen Form
FAZIT: MUTLOS
  • Stärkung des Kartellrechts und Schützen kleinerer Erzeuger:innen und regionaler Lieferketten, auch durch Preiskontrollen 
  • Förderung der Kreislaufwirtschaft und Reparaturfähigkeit von Produkten durch öffentliche Förderung bzw. Steuerpolitik
  • Abschaffung des Lieferkettengesetzes in seiner aktuellen Form
FAZIT: MUTLOS
  • Schutz von kleinen und mittleren Unternehmen und Verbraucher:innen vor Monopolen; Preisregulierung bei Lebensmitteln und Wärme
  • Förderung von Kreislaufwirtschaft in Produktion und Bauwirtschaft, mit dem Ziel eines reduzierten Rohstoffverbrauchs und einer reduzierten Rohstoffabhängigkeit von Ländern außerhalb der EU, allerdings ohne konkrete Zielvorgaben oder Umsetzungspläne
  • Bekenntnis zum Lieferkettengesetz
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Preisaufsicht mit Sanktionsmöglichkeiten zur Verhinderung unverhältnismäßiger privater Krisengewinne; Stärkung von regionalen Lieferketten im Vergleich zu marktmächtigen Großkonzernen
  • Staatliche Vorgaben zur Begrenzung des Energie- und Ressourcenverbrauchs durch die Verlängerung von Gewährleistungen und Ökodesign-Richtlinie
  • Stärkung des Lieferkettengesetzes durch verbesserte Klagemöglichkeiten, Beschwerdemechanismen und stärkerer Sanktionierung
FAZIT: Bemüht um Ambition

In der öffentlichen Diskussion wird Wirtschaft oft ausschließlich als marktorientiertes Geschehen verstanden – dabei bleiben zentrale, nicht monetär bewertete Tätigkeiten weitgehend unsichtbar. Sorge- und Hausarbeit sowie weitere Formen unbezahlter Arbeit (oder meist schlecht vergütet) bilden jedoch den verborgenen Motor unserer Gesellschaft. Menschen, die sich um Angehörige kümmern, Pflege leisten und Kinder erziehen wie auch ehrenamtliches Engagement, legen den Grundstein dafür, dass Erwerbsarbeit und öffentliche Versorgung überhaupt funktionieren. Der Begriff der Zeitwirtschaft verweist darauf, dass es neben der monetären Wertschöpfung auch um die Verteilung und Qualität von Zeit geht – also um Zeitwohlstand. Zeitkonflikte und die mangelnde Anerkennung dieser Tätigkeiten, die häufig überwiegend von Frauen erbracht werden, führen zu einer unausgewogenen gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Die Leistungen in diesem Sektor müssen daher dringend mehr gewürdigt, fair entlohnt oder durch strukturelle Maßnahmen unterstützt werden.

Ein zentraler Bestandteil eines umfassenden Wirtschaftsverständnisses ist daher die Versorgungsökonomie. Sie befasst sich mit der Frage, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt und eine stabile Grundversorgung als Anker der Gesellschaft gestaltet werden können. Dabei geht es nicht nur um die Bereitstellung von Gütern, sondern auch um den gezielten Ausbau und die Stärkung von Infrastrukturen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern und soziale Sicherheit gewährleisten – gerade in Phasen der Transformation, die Verunsicherung und Veränderungsängste auslösen und zugleich Mut für bislang unerprobte Politikansätze erfordern.

Um eine zukunftsfähige Wirtschaftsweise zu realisieren, muss endlich anerkannt werden, dass unbezahlte Tätigkeiten und Sorgearbeit Grundpfeiler einer funktionierenden Ökonomie sind. Soziale Sicherheit ist kein „Nice-to-have“, sondern ein zentrales Element für sozialen Frieden und mutige Wirtschaftspolitiken, die notwendige Veränderungen angehen. 

Ausgewählte Impulse zur Vertiefung aus der #econ4future-Debattenreihe:

SPD
  • Anerkennung, dass Care-Arbeit strukturell benachteiligt wird und monetär gewürdigt werden muss
  • Für höhere Löhne in den Sektoren der Daseinsvorsorge (Industrie, Pflege, Feuerwehr, Lehrkräfte, Handwerk) 
  • Einforderungen von Gegenleistungen von Bürgergeldempfänger:innen
FAZIT: MUTLOS
  • Formale Anerkennung von Care Arbeit und Forderung eines Pflegebudget für pflegende Angehörige; Erleichterung von Teilzeitmöglichkeiten für beide Eltern, allerdings Festhalten am Ehegattensplitting
  • Mix aus öffentlichen und privaten Investitionen, um öffentliche Infrastrukturen bereitzustellen, beispielsweise soll die öffentliche Pflegeversicherung durch private Pflegezusatzversicherungen ergänzt werden
  • Harte Sanktionierung wie Streichen der Grundsicherung, wenn Arbeitslose angebotene Arbeit ablehnen
FAZIT: MUTLOS
  • Keine strukturelle Aufwertung von Care-Arbeit
  • Wohnen, Rente und Pflege sollen durch Marktmechanismen und private Vorsorge optimiert werden; Eigenverantwortung steht im Mittelpunkt 
  • Forderung eines Bürgergelds, welches alle steuerfinanzierten Sozialleistungen zu einer Leistung zusammengefasst und Bürger:innen durch Sanktionen wieder in Arbeit bringen will
FAZIT: MUTLOS
  • Familien als Bezugskern, deshalb Forderung der Berücksichtigung von Kindererziehung in der Rente sowie eine bessere finanzielle Unterstützung von häuslicher Pflege; allerdings wenig Freiraum für Diversität in Lebensrealitäten
  • Leistungsfähige Krankenhäuser und Verbesserung der ambulanten Versorgung, Finanzierung von Personalaufwuchs in der Pflege
  • Erwerbsfähige Grundsicherungsbezieher nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen; Erhöhungen der Voraussetzungen für den Bezug von Bürgergeld
FAZIT: MUTLOS
  • Anerkennung von Care Arbeit wie Kindererziehung und Pflege von Angehörigen; gerechte Aufteilung von Kindererziehung primär durch externe Kinderbetreuungsangebote gewährleisten 
  • Für eine am Gemeinwohl und nicht am Profit orientierte öffentliche Infrastruktur, insbesondere in der Bildung, im Gesundheitswesen, im Bereich Wohnen und in der Mobilität
  • Unterstützung von Arbeitslosen, die in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, bis sie eine passende Arbeit gefunden haben
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Anerkennung von Sorgearbeit und Ziel der geschlechtergerechten Aufteilung, z.B. durch Reform des Ehegattensplittings
  • Verbesserung der Grundversorgung mit Hausärzt:innen und Pflege vor Ort; Bestreben eines gleichwertigen Zugangs zur Gesundheitsversorgung für alle Versicherten
  • Fortführung und regelmäßige Anpassung des Bürgergeldes an das soziokulturelle Existenzminimum
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Zahlreiche Vorschläge, wie Sorgearbeit gerechter verteilt werden soll, u.a. durch Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich oder die Vergesellschaftung von Sorgearbeit
  • Wohnortnahe und kostenlose Grundversorgung; Unterstützung von Entlastungstarifverträgen und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege 
  • Ausbau des Bürgergeld zu sanktionsfreier, individueller Mindestsicherung mit Orientierung an der Armutsgefährdungsgrenze von 1.400€
FAZIT: Ambitioniert

Die Non-Profit-Ökonomie ist mit allen bisher genannten Wirtschaftssphären eng verknüpft. Sie umfasst gemeinwohlorientierte Unternehmen, Genossenschaften, aber auch staatliche Institutionen und zivilgesellschaftliche Initiativen, bei denen nicht Profitmaximierung im Vordergrund steht, sondern die Ausrichtung an Bedürfnissen und dem Gemeinwohl – sei es im sozialen, kulturellen oder ökologischen Bereich. Gerade in Zeiten multipler Krisen zeigt sich beispielsweise, dass gemeinschaftsbasierte Modelle wie solidarische Landwirtschaft, Energiegenossenschaften oder Commons vielversprechende Wege aufzeigen können, um regionale Resilienz zu stärken und Ressourcen verantwortungsvoll sowie demokratisch zu verwalten.

Damit diese Formen des Wirtschaftens langfristig wirksam werden können und über ihre Nischen hinauswachsen, braucht es politische Rahmenbedingungen, die neue Rechtsformen ermöglichen und innovative Unternehmensmodelle fördern. Die Fragen nach demokratischer Kontrolle über Großkonzerne und Produktionsmittel, Vergesellschaftung sowie die Stärkung kollektiver Eigentumsformen werden überdies als zentrale Bausteine für gerechtere Arbeits- und Eigentumsverhältnisse diskutiert. Doch auch partizipative Ansätze wie Bürgerräte bieten vielversprechende Ansätze, um Bürger:innen über Wahlen hinaus aktiv in Entscheidungsprozesse einzubinden und gemeinsam tragfähige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln.

Eine zukunftsfähige Wirtschaft erfordert zudem eine Neuausrichtung der Bildungs- und Forschungspolitik. Plural-ökonomische Ansätze erweitern den Werkzeugkasten der Standard-Ökonomik erheblich und können ein ökonomisches Verständnis befördern, das wirtschaftliche Aktivitäten über Unternehmen und Märkte hinaus umfassend betrachtet. Die Stärkung trans- und interdisziplinärer Transformationsforschung bietet zudem das Potential, um nachhaltige Lösungsansätze und Konzeptionen weiterzuentwickeln, in der Praxis – etwa in Experimentierräumen wie Reallaboren – zu erproben und so nötige und mögliche Veränderungen greifbar zu machen.

Ausgewählte Impulse zur Vertiefung aus der #econ4future-Debattenreihe:

CDU/CSU
  • Außer der Stärkung von Betriebsräten legt die CDU/ CSU keinen Fokus auf die Non-Profit Ökonomie oder auf zivilgesellschaftliche Partizipation
FAZIT: DESASTER
  • Förderung von Reallaboren und Experimentierräumen in Bezug auf wirtschaftliche Innovation, während Gemeinwohlorientierung nicht erwähnt wird
FAZIT: DESASTER
  • mehr Bürger:innen-Beteiligung durch Volksentscheide
FAZIT: DESASTER
  • Bekenntnis zu mehr Bürgerbeteiligung, allerdings ohne konkrete Vorschläge
  • Ausbau und Verstetigung des Genossenschaftsprogramms für öffentliches Wohnen
FAZIT: MUTLOS
  • Demokratische Beteiligung und Partizipation der Bürger:innen über Volksentscheide und Beteiligung an Energiegenossenschaften
  • Förderung von gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen; Entwickeln einer neuen Rechtsform, die Beschäftigten stärkere Mitbestimmungsrechte auf Betriebsebene ermöglicht und Unternehmen zu guten Arbeitsplätzen und Produkten statt Profiten verpflichtet
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Förderung von demokratischer Partizipation durch z.B. Bürgerräte, Volksinitiativen und Petitionsrechte
  • Stärkung der sozial-ökologischen Forschung, aber ohne konkrete Maßnahmen
  • Forderung nach einem Reallabor-Gesetz, welches Lernräume für Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verwaltung schafft
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Mitbestimmung und Beteiligung der Bevölkerung auf allen Ebenen, von kommunaler Energieversorgung bis zu Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene
  • plurale-ökonomische Ansätze sollen gefördert werden
  • Förderung genossenschaftlicher Wirtschaftsformen in den Bereichen Energie, Sorgearbeit und Wohnen
FAZIT: Bemüht um Ambition

Die ökologischen Grundlagen sind die unverzichtbare Basis allen Wirtschaftens auf unserem Planeten. Doch vielerorts zeigt sich, dass unsere aktuelle Lebens- und Wirtschaftsweise diese Grundlagen untergräbt und zerstört. Die Klimakrise, verschmutztes Wasser, sterbende Wälder, zersiedelte und versiegelte Landschaften sowie unzureichender Schutz natürlicher Lebensräume verdeutlichen: Viele Ökosysteme befinden sich in einem kritischen Zustand. Das Konzept der planetaren Grenzen verdeutlicht, dass bereits heute zahlreiche Ressourcen übernutzt werden. Dabei droht nicht nur das Überschreiten irreversibler Kipppunkte, sondern auch massive wirtschaftliche Kosten und Risiken. Deutschland trägt aufgrund seiner historisch und aktuell ressourcenintensiven Wirtschaftsweise eine besondere Verantwortung für den Schutz und die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme.

In den Beiträgen unserer Debattenreihe wurde darüber hinaus deutlich, dass es ein neues ökonomisches Verständnis braucht – eines, das die Umwelt nicht isoliert betrachtet, sondern wirtschaftliches Handeln in ökologische und gesellschaftliche Zusammenhänge eingebettet. Anstelle einer verkürzten Marktlogik erfordert eine moderne Wirtschaftspolitik eine umfassende, sektorübergreifende Perspektive, die den Schutz und langfristigen Erhalt natürlicher Lebensgrundlagen als zentrales Leitprinzip verankert. Der hohe Energie- und Rohstoffverbrauch erfordert zudem eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wachstumsparadigma, um ökologisch tragfähige und sozial gerechte Konzepte für eine zukunftsfähige Wirtschaft zu entwickeln.

Drei ausgewählte Impulse zur Vertiefung aus der #econ4future-Debattenreihe:

BSW
  • Schnelle Klimaneutralität in Deutschland wird als Wunschdenken abgetan und der Klimawandel als globales Problem verharmlost
  • Keine Problematisierung von Wirtschaftswachstum, Fokus nur auf Energie- und Ressourcenverbrauch durch kurzlebige Produkte
  • Bevorzugung landwirtschaftlicher Flächen, während Wälder, Grünland und Moore schonend genutzt werden sollen
FAZIT: DESASTER
  • Verschiebung der Ambitionen für Klimaneutralität in Deutschland bis 2050
  • Wirtschaftliches Wachstum und neue Technologien als Instrumente für Klimaschutz 
  • „Populationsschutz statt Individuenschutz“ zielt auf eine Lockerung von Vorgaben für Bauvorhaben auf Kosten einzelner Arten, Natur wird nur als wirtschaftlicher Produktionsfaktor verstanden
FAZIT: DESASTER
  • Leugnen des menschengemachten Klimawandels 
  • Rückkehr zu fossiler Energie und Ablehnung Erneuerbarer Energien
  • Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen
FAZIT: DESASTER
  • Bekenntnis zum deutschen und europäischen Klimaziel, inkl. zur Klimafinanzierung für Länder des globalen Südens
  • Klimaschutz und Wirtschaftswachstum wird angestrebt
  • Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen zum Schutz der Biodiversität ohne konkrete Ausgestaltungsvorschläge
FAZIT: MUTLOS
  • Bindung an Deutschlands Klimaziele in 2045
  • Klimaschutz durch Zukunftstechnologien, die aus Deutschland in andere Regionen der Erde exportiert werden solle
FAZIT: MUTLOS
  • Festhalten an Deutschlands Klimaneutralität 2045 mit verbindlichen Zwischenzielen 
  • Keine Wachstumskritik, Wohlstand jenseits von BIP wird kurz thematisiert
  • Anerkennung von Natur- und Artenschutz als ein überragendes gesellschaftliches Interesse und Forderung nach einem reflektierten Mensch-Natur-Verhältnis durch Renaturierung und Umweltschutz
FAZIT: Bemüht um Ambition
  • Ambitionierte Klimaneutralität in Deutschland bis 2040; Anerkennung der globalen Verantwortung
  • Thematisierung der natürlichen Grenzen des Wachstums
  • Natur als Rechtssubjekt, einklagbares ökologisches Menschenrecht
FAZIT: Bemüht um Ambition

Obwohl die Chancen der Kleinparteien auf einen Einzug in den Bundestag eher gering erscheinen, lohnt sich ein Blick in ihre Programme – in Teilen finden sich darin durchaus inspirierende und ambitionierte Ansätze. Das liegt auch daran, dass viele dieser Parteien thematische Schwerpunkte setzen und weniger darauf angewiesen sind, breite Wählerschichten zu bedienen.

In dieser untenstehenden Abbildung haben wir dennoch versucht, die in den jeweiligen Wahlprogrammen vorgeschlagenen Ideen und Maßnahmen den vier Fortschrittsfeldern zuzuordnen.

Abb. 2 – Bewertung der wirtschaftspolitischen Positionen der Kleinparteien

Volt rückt alternative Wohlstandsindikatoren ins Zentrum der Debatte, um über das BIP hinauszublicken – wenn auch ohne klare Absage an das Wachstumsparadigma. Zudem setzt sich die Partei für familienpolitische Reformen wie einen erweiterten Vaterschaftsurlaub sowie für demokratische Ansätze wie Bürgerräte, Energiegenossenschaften und soziales Unternehmertum im Sinne des Verantwortungseigentums ein.

Die Tierschutzpartei legt ihren Fokus auf ökologische Grundlagen und – wie der Name nahelegt – auf den Schutz von Tieren. Sie kritisiert das BIP als alleiniges Wohlstandsmaß und spricht sich explizit für eine Postwachstumsökonomie aus, die Suffizienz, Gemeinwohl und nachhaltigen Konsum ins Zentrum stellt. Ihr wirtschaftspolitischer Ansatz umfasst ressourcenschonende Wirtschaftsweisen, eine pflanzenbasierte Landwirtschaft und das Ende der Massentierhaltung. Zudem setzt sie sich für die rechtliche Anerkennung von Natur und Tieren als schützenswerte Subjekte ein.

Auch die ÖDP verfolgt ein klares ökologisches Profil. Sie betrachtet den Menschen als integralen Teil der Natur und fordert alternative Wirtschaftsindikatoren wie eine Gemeinwohl-Bilanz, um den Wachstumszwang zu überwinden. Ihr Programm betont ebenfalls Suffizienzmaßnahmen, Energieeinsparung und das Ziel, die Klimaneutralität in Deutschland bis 2030 erreichen zu wollen.

Die PdF setzt sich für flexible Förderprogramme in der Familienpolitik ein. Zudem setzt sie auf eine stärkere Bürgerbeteiligung durch digitale Plattformen.

Viele dieser Forderungen bleiben jedoch vage oder werden nicht ausreichend mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Hier sind nicht nur Parteien, sondern auch die öffentliche Debatte und die Forschung gefordert, diese Forderungen aufzugreifen und zu vertiefen. Denn Wähler:innen brauchen nicht nur visionäre Ideen, sondern auch nachvollziehbare Strategien, die aufzeigen, wie eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik in die Praxis umgesetzt werden kann und was dies konkret für sie bedeuten würde.

Unsere Analyse hat gezeigt: Während einige Parteien zumindest in ihren Wahlprogrammen zum Teil durchaus ambitionierte Konzepte für eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik präsentieren, halten andere an überkommenen Ansätzen fest oder gefährden mit kurzfristigem Denken die wirtschaftliche Stabilität und die Zukunft nachfolgender Generationen. Vor dem Hintergrund sich zuspitzender globaler Krisen einerseits und der wachsenden Dringlichkeit von Nachhaltigkeit und Klimaschutz andererseits verwundert es daher, dass die Antworten auf die sich rasant verändernden wirtschaftlichen Anforderungen überwiegend kleinteilig und wenig ambitioniert ausfallen. Besonders auffällig ist, dass gerade die Parteien, denen gemeinhin eine hohe Wirtschaftskompetenz zugeschrieben wird, hier den größten Nachholbedarf haben.

So zeigen sowohl CDU/CSU als auch FDP – wenn auch in unterschiedlicher Schärfe – ein mangelndes Verständnis für das Fundament allen Wirtschaftens – soziale und ökologische Aspekte spielen in ihren Konzepten nur eine untergeordnete bis gar keine erkennbare Rolle. Beide sprechen zwar von Nachhaltigkeit und Klimaschutz, aber gerade hier fehlt es an konkreten Maßnahmen und systematischen, schlüssigen Konzepten. So versteht die FDP Natur nicht als eigenständige Größe, sondern als Ressource im Rahmen wirtschaftlicher Entwicklung. Entsprechend unterkomplex ist z.B. ihr Verständnis von nachhaltiger Waldbewirtschaftung, das eigentlich nur Maßnahmen auflistet, die es nicht geben soll: wie die explizite Ablehnung von Eingriffen in Eigentumsrechte oder auch die Positionierung gegen eine europäische Entwaldungsregulierung. Unklar bleibt, was diese mit ökologischen Erfordernissen zu tun haben. Zudem bleiben beide Parteien Antworten schuldig, wie der enorme Investitionsbedarf finanziert und öffentliches und privates Kapital gezielt mobilisiert werden soll. Gleichzeitig planen beide Parteien erhebliche Entlastungen für Vermögende. Somit dominieren enge, marktorientierte Ansätze, die vor allem die Interessen von Unternehmer:innen und Vermögenden in den Mittelpunkt stellen. Vernachlässigt werden dagegen andere zentrale Wirtschaftsakteure sowie Herausforderungen in anderen Wirtschaftsbereichen. Nun kann man der Überzeugung sein, dass der Marktmechanismus die besten Lösungen bereithält, aber umgekehrt finden sich kaum konsistente Maßnahmen und Instrumente – z.B. wie Emissionshandel und CO2-Steuer konkret gestaltet werden sollen, um hier eine angemessene und rasche Dekarbonisierung voranzutreiben.

Das wirtschaftspolitische Programm der AfD verfolgt grundsätzlich eine ähnlich stark marktorientierte Stoßrichtung. Ein großer Unterschied besteht jedoch darin, dass jegliche globale und zeitliche Verantwortung strikt abgelehnt wird – sämtliche Nachhaltigkeitsbemühungen von Regulierungen wie dem Lieferkettengesetz bis hin zu grünen Technologien wie erneuerbaren Energien werden zurückgewiesen, wissenschaftliche Erkenntnisse wie die Feststellung eines menschengemachten Klimawandels sogar geleugnet. Stattdessen will man an klimaschädlichen Technologien wie fossile Energieträger festhalten. Schlimm genug, dass damit eine lebenswerte Welt und wirtschaftliche Stabilität in der Zukunft massiv gefährdet werden,  weil z.B. der Umbau hin zu einer nachhaltigen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung verschlafen wird. Auch wenn dies nicht explizit in unsere Bewertung eingeflossen ist, kommen die immer deutlicher nach außen getragenen menschenverachtenden und antidemokratischen Einstellungen der AfD hinzu, die zusätzlich verheerende wirtschaftliche und soziale Folgen hätten.

Gemeinsam ist CDU/CSU, FDP und AfD hingegen ein problematisches Wirtschaftsverständnis und damit verbundene Annahmen. Sei es, dass eine übermäßige Entlastung von Vermögenden und Großunternehmen zu mehr Wohlstand für alle führen würde. Oder das Festhalten an der Schuldenbremse. Obwohl mittlerweile selbst verschiedenste Ökonom:innen betonen, dass es in der heutigen Zeit entscheidend ist, dass auch der Staat Investitionen in erheblichem Umfang tätigen kann, um handlungsfähig zu bleiben und gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen für Unternehmen und Fachkräfte zu schaffen. Es stellt sich die Frage, inwieweit hier ökonomische Erkenntnisfortschritte ignoriert und überholte Denkmuster fortgeschrieben werden. Insofern zeigt unsere Analyse, dass die Marktwirtschaft zwar in aller Munde ist, hier aber auch die größten Baustellen liegen. 

Mit unserer Analyse haben wir hingegen den Blick auf die Wirtschaft geweitet: Denn Wirtschaft ist mehr als nur der Markt. Eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik muss langfristig das wirtschaftliche Fundament sichern und Verantwortung für ökologische und soziale Grundlagen übernehmen. Besonders überzeugend in dieser Hinsicht waren die Konzepte von Die Linke und den Grünen. Beide erkennen die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik, um die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Die Grünen setzen sich für eine Reform der Schuldenbremse und des Steuersystems ein, um notwendige Investitionen in Klimaschutz und sozialen Zusammenhalt zu finanzieren. Sie können hier mit konkreten Vorhaben und weitreichenden Vorschlägen punkten, zum Beispiel in den Bereichen Renaturierung, soziale Grundsicherung oder Kreislaufwirtschaft. Die Linken gehen in einigen Bereichen noch deutliche Schritte weiter, gerade in den Bereichen öffentliche Finanzen und Versorgungsökonomie. Hier fordern sie zum Beispiel noch konsequenter eine sozialverträgliche Finanzierung des Klimaschutzes, eine stärkere Berücksichtigung der globalen Verantwortung und eine ernsthafte Verbesserung der Pflegearbeit. Die Forderungen sind aber zum Teil auch sehr weitreichend und müssten hohe Hürden überwinden, da sie sehr stark die Machtinteressen von Vermögenden und großen Unternehmen herausfordern.

Unsere Analyse zeigt, dass die SPD in ihrem Wahlprogramm zwar wichtige Themen der sozial-ökologischen Transformation anspricht, jedoch oft ohne die nötige Tiefe und Verbindlichkeit. So bekennt sich die Partei zur Einführung eines Klimageldes, um insbesondere Geringverdiener zu entlasten, bleibt jedoch Details zur konkreten Ausgestaltung schuldig.  Ähnlich zaghaft wirken die Vorschläge eines Deutschlandsfonds mit gelockerter Schuldenbremse oder die Frage um Vermögenssteuern. Daher landet sie in allen Kategorien im Mittelfeld der “Mutlosen”. Während in vielen Punkten das Programm hier in die richtige Richtung weist, mangelt es an konkreten und mutigen Ideen. Das führt dazu, dass sich das Programm zwar grundsätzlich positiv liest, sich jedoch keine grundlegende Neuausrichtung mit ambitionierten Vorschlägen ergibt. Man hat das Gefühl, dass die Partei wichtige Erkenntnisse anerkennt, aber mit Veränderungen so wenig wie möglich anecken will.

Die wirtschaftlichen Positionen des BSW sind am breitesten gestreut. Hier kann vor allem in der Kategorie Versorgungsökonomie und soziale Grundlagen und in Non-Profit-Ökonomie und Zivilgesellschaft gepunktet werden, vor allem durch die angekündigte Stärkung von öffentlicher Infrastruktur in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wohnen und Mobilität, sowie durch Förderung von genossenschaftlichen Ansätzen und partizipativer Demokratie. Auf der anderen Seite steht das BSW für eine Politik, welche den Klimawandel als globales Problem verharmlost. Während die FDP einen raschen Klimaschutz ausbremsen will, indem sie die Klimaneutralität erst für 2050 anstrebt, bezweifelt der BSW sogar, dass ein solches Ziel überhaupt erreichbar ist. Ihre Vorschläge setzen nicht ausschließlich auf erneuerbare Energien, sondern auch auf fossile Energieträger. So soll wieder Gas aus Russland fließen und das Verbrenner-Verbot soll abgeschafft werden. Damit befindet sich die Partei in Gesellschaft von CDU/CSU, FDP und AfD. Gleiches gilt für die Forderung, das Lieferkettengesetz in seiner jetzigen Form abzuschaffen. Ernüchternd und geradezu entlarvend ist dabei, dass sich im Gegenzug bei diesen Parteien jedoch keine konkreten Alternativvorschläge finden lassen, wie der globalen Verantwortung und der Klimakrise angemessen begegnet  werden kann und wie hier z.B. auch Unternehmen in die Pflicht genommen werden können, Nachhaltigkeit voranzutreiben.

Darüber hinaus wird aber auch ein grundsätzliches Problem deutlich: eine generelle Engführung von Wirtschaftspolitik als Marktwirtschaft. So lässt sich bei allen Parteien – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – eine gewisse Ideenlosigkeit im Bereich der Non-Profit-Wirtschaft und der Zivilgesellschaft feststellen. Wenn überhaupt, sind die Vorschläge hier oft besonders vage, z.B. was eine systematische Stärkung der Gemeinwohlorientierung durch neue Unternehmensformen sowie die Etablierung von Logiken jenseits einer reinen Profitlogik oder auch konkrete Schritte für mehr Partizipation und wirtschaftsdemokratische Ideen angeht. 

In ähnlicher Weise gilt dies auch für den Umgang mit der Versorgungsökonomie und sozialen Grundlagen: So wird bei allen Parteien mehr oder weniger die Rolle der Frauen und eine vorhandene Ungleichbehandlung generell als Problem erkannt, Lösungsansätze bleiben aber weitgehend auf Erwerbsarbeit fokussiert. Rahmenbedingungen für unbezahlte Arbeit spielen so gut wie keine Rolle, ebenso unsystematisch scheint die Aufwertung von Care-Arbeit gedacht. Lediglich Die Linke weist hier vergleichsweise weitgehende Ideen auf. Gravierende Unterschiede zeigen sich hingegen im Umgang mit der Gewährleistung sozialer Sicherheit. So befürwortet die CDU/CSU harte Sanktionen, die letztlich ein gesellschaftliches Existenzminimum in Frage stellen, während Die Linke eine sanktionsfreie Mindestsicherung fordert. Für uns ist dies ein Hinweis darauf, dass manche Parteien noch nicht verstanden haben, wie entscheidend soziale Sicherheit gerade in Zeiten tiefgreifender Veränderungen und wachsender Entfremdung von demokratischen Institutionen ist. Wenn allerdings der Entzug existenzieller Ressourcen auch noch als Anreizsystem präsentiert wird, droht sich soziale Kälte und Misstrauen vollends als politisches Instrument zu etablieren. Was für ein Konzept des Wandels steckt eigentlich dahinter, wenn so offensichtlich Abstiegsängste in Kauf genommen werden, statt über Politiken nachzudenken, die Mut, Entdeckergeist und Lust auf notwendige Veränderungen wecken?

Im Wahlkampf machen die Parteien bekanntlich Versprechungen, deren Umsetzung kritisch hinterfragt werden muss. Klar ist aber: Eine Politik, die die Klimakrise ignoriert und an einer zerstörerischen Wirtschaftsweise festhält, ist ein ökonomisches Desaster und eine Katastrophe für den sozialen Zusammenhalt in Demokratien. Es untergräbt ihre eigenen Grundlagen. Umgekehrt kann aber auch eine Politik, die Nachhaltigkeit und Klimaschutz propagiert, sozial unausgewogen und ökonomisch riskant sein, wenn sie schlecht konzipiert wird. Die eigentliche Frage ist also nicht, ob wir uns diesen Herausforderungen stellen, sondern wie. Eine seriöse Wirtschaftspolitik muss hier tragfähige Antworten entwickeln und zur Diskussion stellen. Leider findet ein solcher Diskurs, der nicht nur an der Oberfläche kratzt, bisher kaum ernsthaft statt. Auch dies ist ein Ergebnis unserer Analyse, die kaum systematische Konzepte für eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik finden konnte. Wir verstehen dies als Auftrag an die demokratischen Parteien, hier einen stärkeren Wettbewerb der Ideen zu forcieren, an dem sich auch die Wirtschaftspolitik der nächsten Bundesregierung messen lassen muss.